Tropfsteine in der Höhle
Eigentlich ist Tropfsteinwachstum nur der Umkehrprozess der Höhlenbildung durch Kalklösung, d.h. die Ausscheidung von in Tropfwasser gelöstem CaCO3 an Decken, Wand oder Bodenstellen des Höhlenraumes. Die Ursache für die Ausfällung ist die Abgabe von CO2 aus dem Tropfwasser an die Höhlenluft. Der CO2-Druck im Tropfwasser ist viel höher als der in der Höhlenluft. Sobald ein Tropfen z.B. an der Höhlendecke mit der Höhlenluft in Kontakt kommt, sind beide Drucksysteme um Ausgleich bemüht, d.h. CO2 entweicht aus dem Tropfwasser in die Höhlenluft. Die im Tropfwasser gelöste Kalkmenge kann dadurch nicht länger in Lösung gehalten werden und fällt aus; das Tropfsteinwachstum beginnt.
Die wohl bekanntesten und klassischen Formen des Tropfsteins sind Stalaktiten (wachsen von oben nach unten) und Stalagmiten (von unten nach oben). Als Eselsbrücken kann man sich merken: „T“ hängt und „M“ steht. Stalagmiten werden in Deutschland bis zu 4-5 m groß. Es gibt z.B. massige, kegelförmige Stalagmiten oder schlanke und zylindrisch runde Formen, sogenannte Kerzenstalagmiten. Vereinigen sich Stalaktiten mit darunter liegenden Stalagmiten, kommt es zur Bildung von Säulen.
Schräg an Felsflächen abrinnende, CaCO3 beladene Wasserfäden bauen Schicht auf Schicht dünne Fahnen auf, die wie Gardinen Falten werfen können und meist so dünn sind, dass sie Licht durchlassen.
Die Farben der unterschiedlichen Tropfsteinformen werden durch im Sickerwasser gelöste Beimengungen von z.B. Eisen, Kupfer, Mangan oder Huminsäure bestimmt. Eisen und Huminsäure färben den von seiner Kristallfarbe her weißlich-klaren Sinter rot-braun, Mangan grauschwarz und Kupfer blau-grün. Die Schwarzgraufärbung von Tropfsteinen in der Sontheimer Höhle kann auch durch Ruß entstanden sein, denn schließlich wurden in der ältesten Schauhöhle der Schwäbischen Alb die Besucher lange Zeit mit Fackeln geführt. Seit dem Einbau von elektrischem Licht im Jahre 1957 wachsen an verschiedenen Stellen aber wieder weiße Tropfsteinschichten nach.
Abb. 29: Größerer Stalagmit mit deutlich sichtbaren neuen weißen Wachstumslagen
Dass in der Sontheimer Höhle weniger Stalaktiten zu sehen sind, hängt ebenfalls mit ihrer langen Schauhöhlengeschichte zusammen. Leider wurden in historischen Zeiten viele Stalaktiten abgeschlagen und als Andenken mitgenommen.
Erwähnenswert sind z.B. eine Gruppe mit größeren, massigen Stalagmiten direkt nach der Wettergrenze, der „Orgel“ genannte Tropfsteinvorhang links des Führungsweges. In derselben Halle, jedoch rechts des Führungsweges gelegene „Schäferwand“, ist eine großflächige Wandversinterung mit zahlreichen Tropfsteingebilden. Die wohl schönsten großflächigen Wandversinterungen befinden sich an der linken Höhlenwand zum Ende der Schlusshalle. Der ein oder andere Besucher könnte sich hier an einen versteinerten Wasserfall oder zäh ausgeflossenen Kuchenteig erinnert fühlen.
Auch der markanteste Tropfstein der Sontheimer Höhle befindet sich in der Schlusshalle, die sogenannte Glocke (Abb. 34). Sie befindet sich auf der rechten Seite am Ende des Führungsweges. Es handelt sich um einen Stalagmit, der einer ehemals vorhandenen Sedimentfüllung aufgewachsen war. Da die Basis im hinteren Bereich mit der Höhlenwand verwachsen ist, verblieb der Tropfstein auch nach der Ausräumung der Lehmablagerungen unter seiner Basis an der ursprünglichen Position, so dass er heute an eine frei hängende Glocke erinnert, was zur Namengebung führte.
Abb. 34: Die Glocke
Auch in der Sontheimer Höhle wurden schon mehrere Tropfsteine mit unterschiedlichen radiometrischen Methoden datiert, erstmals bereits in den 1970er Jahren. Über die Ergebnisse lässt sich zusammenfassend sagen, dass in der Sontheimer Höhle mindestens die letzten vier großen Warmzeiten, das heißt der Zeitraum für die letzten 400 000 Jahre, über Tropfsteingenerationen belegt sind. Mit einem Alter von etwa 300 000 Jahren datiert z.B. ein Stalagmit der bereits erwähnten Gruppe aus der ersten Halle direkt nach dem Fledermaustor in die drittletzte Warmzeit. Selbstverständlich wurden auch an der Glocke verschiedene Datierungsproben genommen. Die Ergebnisse zeigen eine Entstehung in der letzten Warmzeit vor etwa 126000 Jahren an. Dass auch innerhalb eines einzigen Tropfsteins mehrere Klimaphasen enthalten sein können, zeigt ein 35 cm hoher und an der Basis 20 cm dicker Stalagmit aus einem Seitenschacht der Eingangshalle (Abb. 33).
Abb. 33: Schnitt durch einen Stalagmiten
Abschließend soll noch kurz auf die Hintere Kohlhaldehöhle eingegangen werden. Mit ihrem Tropfsteinreichtum, bestehend vor allem aus Sintersäulen und Kerzenstalagmiten (Abb. 30 u. 35), gehört diese sicherlich zu den schönsten versinterten Höhlenräume der Schwäbischen Alb. Der Wachstumsbeginn der dortigen Tropfsteine konnte auf 46 000 Jahre vor heute datiert werden, das Wachstumsende auf 2 800 Jahren vor heute. Eine genauere Analyse der Wachstumsstruktur zeigt, dass die Tropfsteine in einem Zeitraum von 28 000 Jahren gewachsen sind.
Abb. 30: Kerzenstalagmiten und Sintersäulen in der Hintere Kohlhaldehöhle.
Entsprechend der für ein Tropfsteinwachstum ungünstigen Klimaverhältnisse zu dieser Zeit, war die Wachstumsrate sehr langsam bzw. lag im Durchschnitt bei etwa 4 mm pro 1 000 Jahre. Erst mit der Klimaverbesserung nach der Hochphase der letzten Eiszeit vor etwa 18 000 Jahren steigt die Wachstumsrate wieder deutlich an. Zwischen 18 000 Jahren vor heute und dem Wachstumsende ist der Tropfstein 114 cm gewachsen, was einer durchschnittlichen Wachstumsrate von etwa 75 mm pro 1000 Jahren entspricht.
Abb. 32: Sinterfahnen und -röhrchen in der Hintere Kohlhaldehöhle
Dr. Wilfried Rosendahl (gekürzt)
Weitere Informationen in der Broschüre zur Sontheimer Höhle, erhältlich an der Höhlenkasse.